Steve Coleman:
Genesis & The Opening Of The Way


CD 1 The Council Of Balance: “Genesis”
Day One / Day Two / Day Three / Day Four / Day Five / Day Six / Day Seven / Awareness
26-köpfige Big Band plus Streichquartett u.a. mit Steve Coleman, Greg Osby (as), Ravi Coltrane (ts, ss),
Greg Tardy (ts), Ralph Alessi (tp), George Lewis, Josh Roseman (tb), David Gilmore (g), Andy Milne (p),
Regg Washington (b), Sean Rickman (dr)
Brooklyn, April und Juni 1997

CD 2 Five Elements: “The Opening Of The Way – Birth, Death, Regeneration”
Law Of Balance / Pi / First Cause / Wheel Of Nature / Rite Of Passage / Regeneration / Organic Movement /
The Law / Fortitude And Chaos / Seti I / Polar Shift / Third Dynasty
Steve Coleman (as), Andy Milne (p), David Gilmore (g), David Dyson (bg), Regg Washington (b),
Sean Rickman (dr), Miguel “Anga” Diaz Zayas (perc), Rosangela Silvestre (dance)
Paris, November 1996, Brooklyn, März 1997


Genau genommen ist Steve Coleman (*1956) ein Idealist. Beherrscht von der Vorstellung, der Beliebigkeit improvisierender Ausdrucksformen eine klare Linie gegenüberstellen zu können, arbeitet der Saxofonist, Komponist und Bandleader auf ein musikalisches Gesamtkunstwerk hin. Die Eckpunkte seiner Ideenwelt sind definiert. Da ist die historische Herleitung aus dem Stilzusammenhang schwarzer Musikkultur, verwurzelt im Funk, Postbob und einer an Wiederholungsmustern orientierten Polymetrik, die sich auf afrikanische Muster rhythmischer Schichtung beruft und unmittelbaren Groove mit ausgedehnten Zähleinheiten kombiniert. Gedanklich eingepasst in das Theoriegebäude des New Yorker M-Base-Kollektivs, versteht Coleman seine Musik als kompositorisch gesteuerte Summe von Individualstatistiken, die auf einer höheren Ebene konzeptueller Erkenntnis gebündelt und in eine Form gegossen werden. Insofern ist es nur konsequent, wenn er mit einem Doppelalbum eine musikalische Schöpfungsgeschichte gestalten und darüber hinaus noch den Weg weisen will. “Genesis & The Opening Of The Way” entstanden 1997 in einer Phase überbordender Kreativität und breiter Akzeptanz durch die internationale Szene und Kritik, arbeitet daher auf der Basis von Kontrasten und möglichst umfassendem Material. Fülle (die Big Band “The Council Of Balance”) und Reduktion (das Septett “Five Elements”), Arrangement (Day One), und Offenheit (Awareness), Sheet Music (Pi) und Improvisation (Regeneration), Groove (Day One-Six) und Entspannung (Day Seven), wesentlich hochkulturelles (Streicherensemble) und afroamerikanisches Instrumentarium (umfangreiche Perkussion), Statik (feste Band) und Bewegung (Tänzerin) stehen einander gegenüber und ergänzen sich. So entwickelt sich eine aufwendige Klangarchitektur, in die Coleman seine klaren, skalenbezogenen Linien einarbeiten kann, ohne dass die Herleitung aus der Tradition dominant würde. Ein cleveres Konzept, als Persönlichkeit innerhalb der Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten zu bestehen.
Quelle: Dombrowski, Ralf. 2005. „Basis-Diskothek Jazz“.
Mit einem Nachwort von Manfred Scheffner.
Stuttgart: Reclam.
(Abdruck mit freundlicher Genehmigung)

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