Frank Tirro:
The Birth of Cool of Miles Davis and His Associates


CMS Sourcebooks in American Music, No. 5 Hillsdale/NY (Pendragon Press)
2009
196 Seiten
ISBN: 978-1-57647-128-9

In der “Sourcebook in American Music”-Reihe des Pendragon-Verlags erscheint mit einer Monographie über die legendären Capitol-Nonet-Aufnahmen von Miles Davis der zweite Band, der sich mit einer klar umrissenen Besetzung auseinandersetzt und damit quasi ein abgeschlossenes Werk untersucht (der erste solche Band widmete sich den Hot-Five-Aufnahmen Louis Armstrongs.
Jazz-Spezialist Frank Tirro beginnt mit einer generellen Einführung in die Bedeutung der Capitol-Aufnahmen des Trompeters. Im zweiten Kapitel beleuchtet er die grundsätzliche Idee des “Cool” – sowohl als Begriff und Lebenshaltung wie auch als Jazzstil. In Kapitel 3 geht er den Vorläufern dieses Stils auf den Grund, benennt die Spielhaltung etwa im Spiel und in den Kompositionen von Bix Beiderbecke, im Sound von Stan Getz und den Arrangements von Ralph Burns, aber auch in den Kompositionen und Interpretationen Dave Brubecks und insbesondere seines Octets (also einer dem Nonet vergleichbaren Besetzung). Nur kurz erwähnt Tirro die Bedeutung Duke Ellingtons (und Billy Strayhorns) sowie Lennie Tristanos als weitere Ausprägungen (a) kompositorischer Durchformung und (b) eines anderen Ansatzes von Cool Jazz.
Vor allem aber widmet der Autor sich im ersten Teil seines Buchs den Aufnahmen von Claude Thornhill, dessen Orchesterklang Miles angeblich zum Vorbild seines Nonet genommen habe. Er untersucht drei Aufnahmen Thornhills, Bill Bordens Arrangement über “Ev’rything I Love” sowie die beiden Gil-Evans-Arrangements über Charlie Parkers “Thriving On a Riff” und Miles Davis’ “Donna Lee”.
Der Hauptteil des Buchs dann widmet sich den Aufnahmen des Capitol Nonet, die Tirro den Arrangeuren gemäß ordnet. Er beschreibt die Aufnahmesituation (also Rundfunksendungen und Studiosessions) und analysiert dann nacheinander die Arrangements von Gil Evans (“Moon Dreams”; “Boplicity”), Gerry Mulligan (“Jeru”, “Godchild”, Venus de Milo”, “Rocker”), John Lewis (“Move”, “Budo”, “Rouge”), Johnny Carisi (“Israel”) sowie Davis selbst (“Deception”). Seine Analysen erklären den formalen Ablauf, stellen teilweise Seiten der Originalpartituren neben Transkriptionen, beleuchten, wie die Arrangeure zu bestimmten Klangfiguren gelangten und lenken den Leser auch immer wieder auf das “Außergewöhnliche”, das diese Klänge in der Zeit des Bebop ausmachten. So vergleicht er die Arrangement, die Mulligan über “Jeru” sowohl für Thornhill als auch für Davis schrieb, oder verweist er für den Beginn von “Godchild” auf die ungewöhnlichen Klangfiguren im Zusammengehen von Baritonsaxophon und Tuba.
Im Schlusskapitel beleuchtet Tirro den Nachhall der kurzlebigen Studioband, etwa in der Musik von J.J. Johnson und Kai Winding, in diversen Bands von Gerry Mulligan oder in der Musik von Shorty Rogers und anderen West-Coast-Musikern.
Frank Tirros Buch richtet sich vor allem an Studenten, ist aber auch für jeden Davis-Fan, der sich von Transkriptionen und musikalischen Fachbegriffen nicht verschrecken lässt, ein guter “Wieder”-Einstieg in die legendären Aufnahmen des “Birth of the Cool”.

Quelle: Rezension von Wolfram Knauer
(http://www.jazzinstitut.de/)

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